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HELLO I´m Polly. How are you?

Polly, das Glashaus, ist im Februar 2021 zu Besuch in der Stadtwerkstatt.

>> Text: Tanja Brandmayr An einem Samstag Ende April 2021 stehe ich vor einem Glashaus, genaugenommen vor einem so genannten „Hybridhaus“, einem aus Plexiglas-Plastikteilen nachempfundenen Gewächshaus. Das Haus heißt Polly, denn es stellt sich per gelber Aufschrift vor mit: Hello, I’m Polly und fragt auch noch etwas, nämlich: How are You? Polly steht als Kunstobjekt, als Glashausplastik, im März und April mehrere Wochen im ersten Stock der Stadtwerkstatt. Ich habe ‚es‘ selbst eingeladen, indem ich die freundinnenderkunst gefragt habe, ob sie ihr leeres Haus doch nicht in unser leeres Haus bringen wollen. Denn, eh schon wissen, wir schreiben das Jahr 2021: Die Kulturhäuser sind zu Jahresbeginn noch immer ‚coronabedingt‘ leer, zumindest frei von den üblichen Publikumsströmen. Nun habe ich im durchsichtigen Haus platzgenommen und versuche zu erkunden, was das Haus ist, was es kann und tut, das kleine im großen Haus, und was ich von den Häusern sagen kann, vom großen und vom kleinen leeren Haus. Sprich: Ich versuche in Kommunikation zu treten mit einem Haus, das jemand ist, sich vorstellt, etwas fragt, und zu dem ich nun irgendwie selbst geworden bin, weil ich darin Platz genommen habe. Den Ton finden Der zum Glashaus passt Im Haus sitzen Und rundum rausschauen Aus dem Haus Das ein Hybridhaus ist aus Alu und Plastikkomponenten Glasiger Glasaugenblick Fischaugen-Verzerrung auf draußen Der Sound gedämmt Die Luft wärmt sich im Innenraum In geschlossenen Zeiten Das Maß Die menschliche Abmessung Breite: Kürzer als ich Länge: Mehr als ich Höhe: Überkopf mit Giebeldach und Dachluke Im Haus sitzen Sich irgendwie fühlen Oder wie? Mit dem Haus Etwas gefragt werden Oder selbst zur Ansage und Frage werden Hello, I am … How are you? Zuvor, in den ersten Monaten des Jahres 2021, hatten die freundinnenderkunst ihr Haus auf Tour in den öffentlichen Raum geschickt: Das Glashaus wurde während des Lockdowns vor die Fassaden von sechs etablierten Kulturinstitutionen der Stadt gestellt. Sprich, das kleine Fake-Glashaus (aus Plastik) wurde vor die echten und hohen Glasfassaden der Institutionen positioniert, als gegensätzliche HäuserKommunikation über Leere und Geschlossenheit; und irgendwie auch als Beweglichkeits-Witz in Coronazeiten: Denn Häuser stehen üblicherweise unbeweglich in festen Fundamenten, die schwer in Frage zu stellen sind. Allerdings hat sich hier, wie zum Trotz in diesen Zeiten, ein wendiges Glashaus auf den Weg gemacht, in einer Welt, die wie angehalten und festgenommen scheint. Nach diesen offiziellen ‚Hausbesuchen‘ mit mehrdeutiger Botschaft wanderte die freundinnenGlashausfantasie einerseits in die Stadtwerkstatt und transformierte sich dort zum personalisierten Schauobjekt (Hello, I’m Polly, später noch im Architekturforum). Andererseits wurde die vorangegangene Häuser-Tour in den ersten Aprilwochen als Kurzvideo im Rahmen einer Schau am Linzer Hauptplatz präsentiert: In der Museums-Mimikry der Kunsthalle Linz. Im Kunsthallen-Glaskubus wurden diese buchstäblich anderen Museumsbesuche quasi re-musealisiert. Die Präsentation trug den Titel Was sollen wir tun, wenn wir nichts machen können. Die Frage nach Tun und Machen wurde zum bitteren Joke über Aktivität, war aber auch im Gestus einer existenziellen Frage gestellt, die sich vom individuellen Ich in Richtung gesellschaftliche Ohnmacht bewegt und wieder retour. Die Sehnsucht nach Begegnung äußerte sich in diesem Kurzvideo widersprüchlich, indem kommunizierende Häuser statt kommunizierender Menschen thematisiert wurden. Und über allem liegend wurde die Frage nach dem größeren gemeinsamen kulturellen Raum gestellt: Die öffentlichen Räume sind zu einer Paradoxie geworden. Denn die Menschen darin – how are they? Sie sind im permanenten digitalen Ersatzort gelandet, oder im ewigen Spaziergang, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Isolation und Stillstand wurde im Hochbetriebsmodus weiterreflektiert, das aus meiner Sicht eigentlich Absurde. So im Haus sitzen Am letzten Tag des harten Lockdowns ? Pampstig reflektieren Über Häuser, die sich auf den Weg machen Über Interesse und Desinteresse Glashausplastiken In der Kultur Hausprototypen Kennzahlenfetischismus Und den Zwang Zur Entäußerung Anstatt still in einem Glashaus zu sitzen Und über sein Leben nachzudenken, ha Und warten, bis jemand vorbeikommt Im Shelter-Archetypus Pflanzen vielleicht … Nice to meet you Es ist aus meiner Sicht ein Spezifikum der freundinnenderkunst, dass sie abseits von eindeutigen Antworten, sogar abseits von eindeutigen Fragestellungen im Kollektiv denken und arbeiten. Hinter den gesellschaftlichen Fassaden geht es um die nuancierten Finessen, die in mehrere Richtungen ausschlagen. Sie legen sich nie ganz fest, machen sich unabhängig vom Zeitgeschehen, während sie äußere Umstände doch paraphrasieren, und das alles in einer Mischung aus schön, verhalten und grausam, innerhalb von Freiräumen, die man sich – nur scheinbar angepasst, aber fast immer im passenden Kostüm – in den Konventionen schafft; indem man sie ironisiert, parodiert, oder auch mal zerschlägt. Hier scheint das Haus die Konvention mitzubringen, ein Haus, das sich nicht ganz entschließen kann, was es fix sein will, sondern stattdessen etwas Adaptives hat. Und das Haus wirkt selbst wie ein Vehikel: Die freundinnen scheinen etwa selbst zur Glashausfantasie geworden zu sein, um einerseits die Konvention des Besuches zu erfüllen, und das heißt andererseits aber umso dezidierter: hinter der Fassade in echt in Beziehung zu treten. Wie adaptiv die Glashausfantasien hinter dem Glashaus aber tatsächlich sind, soll mit einer vorangegangenen Arbeit mit Stadtwerkstatt-Bezug untermalt werden, die mit dem Titel Shirley Tempel bereits im Jahr zuvor zu Gast war, beim 48-Stunden-Showcase STWST48x6 MORE LESS. Die Stadtwerkstatt thematisierte hier ein Natur- und Kultur-Monotonia als Inszenierung mit kritischer Agency, zeigte unter anderem Natur „nicht als wild-wuchernde, ‚freie‘ Natur, sondern als regulierte, optimierte, hochgezüchtete Monokultur“, als Gesamtbild der Monotonisierung. Die exemplarisch verhandelten Maispflanzen und weitläufigen (Um)Felder assoziierten bei vielen Mitwirkenden über das More Montonia dieser hochgewirtschafteten endlosen Felder hinaus: Kindheitserinnerungen, Versteck, Rückzug, Orientierungslosigkeit und Rausch, alternative Nutzungen oder auch: gesehene Filme. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist hier, dass Shirley Tempel als freundinnen-Glashaus sehr weitläufig nicht nur Aspekte des Gewächshauses aufnahm, sondern im draußen, hoch oben auf dem Upper Maindeck platzierten Glashaus als Shirley-Temple-Kino-Assoziation gleich über 48 Stunden eine PopcornMaschine laufen ließ, um das transparente Haus mit Popcorn aufzufüllen. Hier begab sich das Maisprodukt Popcorn – sozusagen als Basisnahrung des Kinos – ins Basislager unserer Kulturindustrie, die gleichermaßen Illusion, Traumfabrik wie selbst Monokultur ist. Das war vergangenen Sommer. Eine frei fliegende Assoziation. Diesen Text habe ich bereits Ende April in Grundzügen geschrieben, aber letztendlich fertiggestellt heute, am 4. Oktober 2021. Ich assoziiere ein wenig weiter, Polly erlaubt es, wünscht es sich vielleicht nachgerade von mir! Über die Häuserthematiken der Stadtwerkstatt ließen sich noch weitere Verbindungen knüpfen – vom Anti-Haus Wettergebäude der frühen Stadtwerkstatt-Geschichte bis zu den No Architects der letzten Jahre. Und mein eigener, höchstpersönlicher Research-Modus Quasikunst erweitert Materialbegriffe und Kontexte derart, dass sich alles zwischen Dematerialisierung, Auflösung und einer widersprüchlichen neuen Verbundenheit der Objekte und Subjekte befindet. Mein Research zieht andere Koordinaten ein, die das Unsichtbare, Unsagbare und Untergründige als Tatsache verhandeln. Er wirft, um Freund zu paraphrasieren, den ‚Herrn‘ aus dem eigenen Haus vielleicht nicht gerade hinaus, stellt ihm aber stattdessen rätselhafte Kompagneras als Mitbewohnerinnen in die Hütte. Und spricht in einer Weise über die Dinge, dass einen Häuser, die in anderen Häusern einziehen, dh. selbst zur Konvention werden, indem sie sich vorstellen und fragen, wie es einem geht, gar nicht wundern. Und apropos Häuser, Museen und Popcorn-Kino: Ich habe mit Kolleginnen heuer ein ganzes Museum dematerialisiert und ein Postglow-Cinema entworfen. In diesem Sinne, wenn ich mit meinen Dingen zu Polly zurückkehren und es – sozusagen als gemeinsame Sache – noch sagen darf: Dann bist du selbst zum Popcorn geworden Im Glashaus der Kulturindustrie Hast deine eigene Arbeit Wie einen Film beobachten können Während du über andere nachdenkst Unter anderem über Polly, wie geht es dir?

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